Entstehung der Polizeischulen
Traditionelles Instrument zur Herstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist die Polizei, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund gesteigerten Personalbedarfs nicht mehr ausschließlich aus altgedienten Militärs rekrutiert. Die bisher als ausreichend angesehenen militärischen Vorkenntnisse der Polizeianwärter erweisen sich als immer weniger hinreichend für die Heranführung des Polizeinachwuchses an die Praxis. In Zusammenarbeit mit der staatlichen Aufsichtsbehörde kommt es zur Einrichtung von Polizeischulen. Den Aufbau nehmen zuerst die Städte in den industriellen Wachstumsgebieten des Westens in die Hand.
Die Schulen sind Vollzeiteinrichtungen mit hauptamtlichem Leitungs- und Lehrpersonal und meist kasernierter Unterbringung der Polizeianwärter. Die Kurse dauern anfangs nur zwei bzw. drei Monate und werden mit einer Zeugnisabgabe abgeschlossen.
Verwissenschaftlichung der Polizeiarbeit
Neben die Verstädterung (Urbanisierung) der Polizeipraxis tritt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein weiterer Trend: wissenschaftliche Erkenntnisse werden immer stärker für die Polizeiarbeit eingesetzt. Eine Reihe von naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen kommen zum Einsatz. Schon in den ersten Polizeischulen bezieht sich die Kriminalausbildung auf verschiedene Sparten des Erkennungsdienstes:
- die Taktik der Ermittlung von Kapitalverbrechen
- Signalementslehre
- Anthropometrie (Körpermessung)
- Daktyloskopie (Fingerabdruckkunde)
- Photographie
- Gaunerpraktiken, Gaunersprache
- Zigeunerwesen
Der Stereotyp einer Polizeikarriere - vor der Polizeischulreform
“In Hinterpommern geboren, Dorfschule besucht, Rüben gezogen, Soldat geworden, kapituliert, zum Unteroffizier avanciert, Schreiben und knapp Rechnen gelernt, Rekruten dressiert, Sergeant geworden, Rekruten dressiert, Vize-Feldwebel, immer noch Rekruten dressiert, Zivilversorgungsschein und schließlich Polizeibeamter.”
(Vorwärts vom 14. Juni 1892)