Artikel
Prof. Dr. Heidi Mescher (Professur für Psychologie, FHöV NRW, Abt. Köln)
(siehe auch: https://www.fhoev.nrw.de/services/personalverzeichnis/eintrag/mescher-heidi.html (Öffnet in einem neuen Tab))
Ulf Bettermann-Jennes (M.A. Kriminologie, M.A. “Öffentliche Verwaltung – Polizeimanagement)
Dr. Jörn Schnieder (M.A. (Pädagogik, Philosophie, Mathematik), Promotion in Mathematik
(siehe auch: http://www.math.uni-luebeck.de/mitarbeiter/schnieder/curriculum.php (Öffnet in einem neuen Tab) )
Abstract
„Das Wichtigste im Führungsprozess ist, dass Sie Ihre Mitarbeiter immer mitnehmen!“ So oder so ähnlich werden junge Führungskräfte, die den Laufbahnwechsel in den höheren Dienst vollzogen haben, darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, in ihrem täglichen Handeln auf die unterstellten Mitarbeiter zu reflektieren. Selten wird dieser wichtige Hinweis mit praxisnahen Beispielen bzw. praxisrelevanten Handlungswerkzeugen hinterlegt.
Das für die Polizei geltende Kooperative Führungssystem (KFS – inzwischen schon in der Version 2.0 ) benennt Führungskräften Determinanten eines wertschätzenden und auf individuelle Fähigkeiten fokussierenden Umgangs mit Mitarbeitern, aber auch dieses System ist, was die Beschreibung handlungspraktischer Umsetzungsmöglichkeiten angeht, ausbaufähig.
Mit Blick auf das Thema dieses Seminars wird es im Schwerpunkt darum gehen, anhand von Praxisbeispielen, die die Lebenswelt junger Führungskräfte in der Erstverwendung abbilden, Möglichkeiten des Transportierens kritischer bzw. wenig akzeptierter Führungsvorgaben an Mitarbeiter aufzuzeigen und zu erproben. Ziel soll es hierbei sein, zum einen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass „die Mitnahme von Mitarbeitern“ nur gelingen kann, wenn die Führungskraft sich nahbar und authentisch, als Person, mit ihren Gedanken zum (kritischen) Thema zeigt. Zum anderen wird auf methodischer Ebene das Werkzeug des Sprechdenkens zur Umsetzung des oben beschriebenen Ansatzes vorgestellt, im Diskurs mit der Studiengruppe reflektiert und erprobt.
Praxisbezug I:
Dienstliche Vorgaben werden durch Führungskräfte aller Hierarchieebenen nahezu täglich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landespolizei weitergegeben. Hierbei unterscheiden sich Anlässe und Themen sowohl in der individuell bewerteten Brisanz für Kolleginnen und Kollegen als auch hinsichtlich der Diskutierbarkeit bzw. Mitsprachemöglichkeit.
Während im Einsatzfall grundsätzlich eine bedingungslose, nicht hinterfragbare Einhaltung der hierarchisch legitimierten Führungsentscheidungen unerlässlich ist und üblicherweise von eingesetzten Kolleginnen und Kollegen nicht direkt kritisiert wird, gibt es andere innerdienstliche Anlässe und Themenbereiche, bei denen ein gewisser Unmut des Personals, wenn auch nicht immer deutlich geäußert, so doch häufig für die Führungskraft sehr wahrnehmbar, im Raum steht. Organisationsentwicklungsmaßnahmen, Umstrukturierungen von Personal und Abläufen auf Dienststellen oder in Dienstbezirken und das Beurteilungssystem sind hierfür nur einige Beispiele.
Immer wieder stehen in diesen Bereichen Führungskräfte aller Ebenen vor der Herausforderung, den auch individuell mal mehr, mal weniger nachvollziehbaren politischen oder organisationalen Willen gegenüber nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu vertreten. Es stellt sich die Frage, wie bei einer möglichen eigenen Skepsis zur Vorgabe gewünschte bzw. geforderte Inhalte durch Führungskräfte stimmig und überzeugend vermittelt werden können. Bei der Klärung der Frage ist zu berücksichtigen, dass es im Ergebnis einen qualitativen Unterschied mit Blick auf die Akzeptanz der Vorgabe macht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter argumentationslogisch durch ein Gegenüberstellen von Pro- und Contra-Fakten rational erreicht zu haben oder aber sie den Entscheidungsentstehungsprozess und die persönliche Reflexion der Führungskraft mit Blick auf das Thema miterleben zu lassen. Letzteres kann die Führungskraft durch die Methode des Sprechdenkens erreichen und somit zu einem ganzheitlichen und umfassenden Verständnis der Mitarbeiterschaft mit Blick auf die Vorgabe beitragen.
Ein weiterer Schwerpunkt polizeilicher Führungstätigkeit, den die Methode des Sprechdenkens positiv beeinflussen kann, ist das Entwickeln funktionierender Handlungs- und Einsatzkonzepte für Akutsituationen / Ad-hoc-Lagen.
Praxisbezug II:
Junge Führungskräfte in der Polizei werden in ihren ersten Verwendungen häufig mit Situationen und Problemstellungen konfrontiert, die eine schnelle und sichere Lösung bzw. zeitnahe Erstellung eines Handlungs- und Einsatzkonzeptes unter Berücksichtigung aller situationsrelevanter Faktoren erfordern. Hierbei kann häufig noch nicht auf eigenes Erfahrungswissen rekurriert werden und auch der schnelle, umfassende Abruf allen relevanten Fachwissens kann sich in einer Ad-hoc-Lage schwierig gestalten.
Einem häufig bei jungen Führungskräften auftretenden Bedenken, dass die Führungsspitze der Landespolizei, Ministerien oder aber die Öffentlichkeit eine perfekte, funktionierende Lösung, getroffen – und hierauf liegt der Schwerpunkt dieser Aussage – durch eine hierfür ausgebildete und studierte einzelne Führungskraft erwarten – soll die Vorstellung gegenüber gestellt werden, die Möglichkeiten zu nutzen, die im Wissen, den Ideen, der Kreativität der letztendlich ausführenden Mitarbeiter liegen.
Die Methode des Sprechdenkens unter Einbeziehung der Mitarbeiteräußerungen kann zu kreativen, sinnvollen und vor allem akzeptierten Lösungsansätzen führen. Die Mitarbeiter werden durch und in diesem Prozess mitgenommen und erfahren durch die Einbindung Wertschätzung und Angenommensein.
Der Gefahr eines „Schnellschusses“ in der Entscheidung, das sofortige und absolute Setzen einer möglicherweise nicht alle Faktoren berücksichtigenden Richtschnur durch die noch unerfahrene Führungskraft kann durch den Rückgriff auf die Fach- und Erfahrungsressourcen der Mitarbeiter hierdurch vorgebeugt werden.
Eine bedeutsame Frage, die von den Teilnehmenden grundsätzlich und individuell beantwortet werden muss, wird sich mit der Thematik des Autoritätsverlustes beschäftigen. Nicht unberechtigt ist die Befürchtung, dass eine dem Sprechdenken immanente „Sichtbarmachung des eigenen Inneren“ dazu führen könnte, dass Mitarbeiter diese Offenheit und Nahbarkeit als Schwäche wahrnehmen – u. U. sieht dies die Führungskraft mit Blick auf die eigene Rolle und Person ebenfalls so.
Das Reflektieren des vermeintlichen Widerspruches zwischen Autorität und Nahbarkeit/Sichtbarkeit soll die Teilnehmenden unterstützen, hierzu eine eigene Position zu finden.
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