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Antisemitismus als Herausforderung für Polizei und Gesellschaft

Polizeikräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Antisemitismus zum Schutz der Demokratie. Eine dreitägige Fortbildung an der DHPol widmete sich dem Themenkomplex "Antisemitismus als historische und aktuelle Herausforderung für Polizei und Gesellschaft".

24.02.2025

Antisemitismus hat eine lange Geschichte und zeigt sich in Deutschland jüngst verstärkt in Hassreden, Gewalt und Attentaten sowie Verschwörungsmythen und Holocaustrelativierungen. Spätestens seit Beginn des Gaza-Krieges – ausgelöst durch die Massaker der Terrororganisation Hamas an Zivilpersonen in Israel am 7. Oktober 2023 – ist die Polizei als Staatsorgan in Deutschland aufgrund einer rapiden Radikalisierung des Antisemitismus zunehmend gefordert. Polizeikräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Antisemitismus zum Schutz der Demokratie. Ihre Fähigkeit, antisemitische Motive zu erkennen und angemessen zu reagieren, ist dabei essenziell. Eine dreitägige Fortbildung an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) widmete sich daher dem Themenkomplex "Antisemitismus als historische und aktuelle Herausforderung für Polizei und Gesellschaft". 

Verschiedene Perspektiven ermöglichen umfassende Auseinandersetzung

Antisemitismus stellt sowohl ein kognitives als auch emotionales Weltbild dar. Die Fortbildung vermittelte dahingehend ein tiefgehendes Verständnis für die historische, aktuelle und soziale Bedeutung von Antisemitismus und förderte die Auseinandersetzung mit jüdischem Leben und pluralen Gegenwartskulturen in Deutschland. Antisemitismus hat viele Gesichter und tritt codiert auf. Für eine möglichst umfassende Auseinandersetzung wurden verschiedene Phänomene, Methoden und Facetten beleuchtet: So wurde die Betroffenenperspektive und die Beratungsstellen eingebunden, ein spezieller Blick auf die polizeiliche Bildungsarbeit im Kontext von Antisemitismus geworfen, ein Lagebild zu Antisemitismus aus der Sicht der Sicherheitsbehörden und Wissenschaft präsentiert und junge jüdische Politik in Deutschland in den Fokus genommen. Hierfür konnten (inter)nationale Expertinnen und Experten gewonnen werden, u.a. die Antisemitismusbeauftragten Dr. Felix Klein (BMI) und Sylvia Löhrmann (NRW), Daniel Schuster, Europareferent vom Simon Wiesenthal Center (LA), Julian Tsapir, Bildungskoordinator der Bildungseinrichtung Jad Vashem, Jürgen Kayser, Leiter des Verfassungsschutzes NRW und Prof. Mirjam Wenzel, Direktorin des internationalen Jüdischen Museums in Frankfurt a.M. sowie die Autoren Monty Ott und Ruben Gerczikow. 

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der praxisorientierten Auseinandersetzung mit dem Thema. In einem Workshop setzten sich die Teilnehmenden intensiv mit dem Umgang mit Antisemitismus im (Berufs-)Alltag auseinander und reflektierten darüber, wie sie auf antisemitische Vorfälle im Dienst reagieren können und welche Implikationen sich hierfür für die Polizeiausbildung ableiten lassen. Exkursionen zum Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster, die Bildungsarbeit des internationalen Jüdischen Museums in Frankfurt a.M. sowie eine Führung durch die Synagoge in der Universitätsstadt unterstrichen die Vernetzung mit der jüdischen Gemeinde.

(v.l.n.r.): Sharon Fehr, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Münster, Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, und Dr. Haydée Mareike Haass, Vertretungsprofessorin Fachgebiet I.6 in der Synagoge in Münster

Antisemitismus-Prävention, aber wie?

Als Kernsäulen der Präventionsarbeit wurden herausgearbeitet:

  • Sensibilisierung und Schulungen zu historischer Aufklärung, modernen Erscheinungsformen des Antisemitismus und praktischen Fallbeispielen
  • Fortbildung von Führungskräften, um Teams zu sensibilisieren, als selbstreflexive Vorbilder zu agieren und antisemitische Vorfälle im Arbeitsumfeld zu erkennen, zu melden und entsprechend zu handeln
  • Integration von Antisemitismusprävention in die polizeiliche Ausbildung durch theoretische Wissensvermittlung, praktische Übungen und Perspektivenübernahme sowie die Förderung der kulturellen Sensibilität
  • Schaffung von Anlaufstellen und Unterstützungsangeboten innerhalb der Polizeien
  • Kulturelle, historische und interreligiöse Sensibilisierung auf die Pluralität jüdischer Gegenwartskulturen, z.B. durch Programme unterschiedlichster Bildungseinrichtungen, die den Dialog zwischen verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen unterstützen.
  • Kooperation mit externen Expertinnen und Experten, etwa aus der Antisemitismusforschung, jüdischen Organisationen oder zivilgesellschaftlichen Initiativen vervollständigten den Blick auf die pluralen liberalen, orthodoxen und säkularen jüdischen Lebenswelten und Orte.

Wissen und kooperative Strategien für den Umgang entscheidend

Organisiert wurde die Veranstaltung für Polizeiführungskräfte sowie Lehrende polizeilicher Bildungseinrichtungen von Vertretungsprofessorin Dr. Haydée Mareike Haass, Fachgebietsleitung "Polizeigeschichte und Politische Bildung (Öffnet in einem neuen Tab)". Haass, die auch das Amt der Antisemitismusbeauftragten an der DHPol innehat: "Ausprägungen von Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches und historisches Phänomen sind nicht nur im rechten Spektrum bzw. bei linken oder muslimischen Gruppierungen verortet. Umso bedeutender sind für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte grundlegendes Wissen über die unterschiedlichen Erscheinungsformen des modernen Antisemitismus sowie Strategien für den Umgang damit. Genau dies möchten wir vermitteln und damit insbesondere Polizeiführungskräfte unterstützen, das Thema in ihren Multiplikationsfunktionen innerhalb ihrer Organisationen selbstreflexiv und kooperativ zu gestalten."

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